Während in Deutschland wahnsinnig viele Bücher von englischsprachigen Autoren angeboten werden, sind es umgekehrt nur eine Hand voll. Warum ist das so? Wie sind die Zahlen und Fakten? Und warum sollten wir vor unserem nächsten Buchkauf unsere Augen ganz weit aufsperren?

Als ich mir letztens meine Buchvorstellungen angesehen habe, ist mir etwas aufgefallen und ich war tatsächlich leicht geschockt: Warum lese ich eigentlich so viele Bücher von englischsprachigen Autor*innen? Obwohl ich doch – selbst Schriftstellerin – weiß, wie schwierig es ist, sich im deutschen Buchmarkt zu behaupten. Warum greife ich im Buchladen also so oft nach Titeln, ohne überhaupt darauf zu achten? Und wie hoch ist bei uns eigentlich der Anteil englischsprachiger Literatur? Das interessiert dich auch? Na dann, bitte einmal folgen:

Die Besonderheit des deutschen Buchmarkts

Der deutsche Buchmarkt ist hart umkämpft. Hier als Autor*in seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist schwierig. Was es aber noch viel schwieriger macht, ist eine Besonderheit: Deutsche Verlage kaufen gerne ausländische Lizenzen. Besonders aus dem englischsprachigen Raum – also den USA und Großbritannien.

Das scheint allerdings ein weltweites Phänomen zu sein. Die Kultursoziologin Gisèle Sapiro erklärt in einem Artikel von ZEIT ONLINE, dass zwar die Anzahl der übersetzten Titel weltweit steige, es aber immer die gleichen Sprachen sind, aus denen übersetzt werde. Das Problem: Gerade diese dominanten Sprachgebiete importieren selbst die wenigsten Bücher. Was resultiert also daraus? Ein Ungleichgewicht, dass vor allem die deutschsprachigen Autor*innen ausbaden.

Wer kauft eigentlich Lizenzen deutscher Bücher?

Etwa 90.000 Bücher erscheinen jährlich auf dem deutschen Markt. Laut der Lizenzumfrage des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels wurden im Jahr 2020 7600 Buchlizenzen ins Ausland verkauft. China, die Türkei und Russland sind die Top drei Lizenznehmer – die USA und Großbritannien dagegen weit abgeschlagen. Und das geht schon Jahrzehnte lang so. 2002 haben zum Beispiel deutsche Verlage die Rechte von 3782 amerikanischen Büchern erworben, während amerikanische Verlage nur 150 deutsche Bücher einkauften.

Deutschsprachige Autoren müssen sich im eigenen Land um den Marktanteil balgen

Das hat zur Folge, dass deutschsprachige Autoren es noch schwerer haben einen Bestseller zu landen. In einem Artikel der FAZ von 2016 habe ich interessante Zahlen gefunden: Laut einer Studie der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft Köln, stammen nur 30 Prozent der Bestseller aus der Feder von deutschsprachigen Autor*innen. Das ist eine Zahl, die haut einen doch erst mal um, oder?

Skandinavische Länder oder Frankreich kommen hingegen auf einen nationalen Anteil von 60 – 80 Prozent. Das heißt im Umkehrschluss, dass deutsche Autoren fast nur in ihrer Heimat Absatz generieren können und hier auch noch einen schwachen Marktanteil ergattern. Wie ungerecht ist das denn, bitte? Gut, der Artikel ist aus dem Jahr 2016, vielleicht hat sich inzwischen ja schon etwas geändert …

Wie viele deutschsprachige Bücher sind 2021 auf der Bestsellerliste?

Dieser Sache wollte ich auf den Grund gehen. Also habe ich eine Stichprobe genommen: Ich habe mir die Spiegel-Bestsellerliste Taschenbücher 41/2021 angesehen und tatsächlich sieht es hier nicht mehr ganz so düster aus: 60 Prozent der Bücher sind von deutschsprachigen Autor*innen 35 % von englischsprachigen (20 % Großbritannien, 15 % USA) und 5% entfallen auf skandinavische Schriftsteller*innen.

Umdenken im Buchmarkt –  fördern Verlage wieder mehr deutschsprachige Autoren?

Es scheint also doch langsam ein Umdenken stattzufinden, dass es sich auch für Verlage lohnt, deutschsprachige Autoren zu fördern. In den Amazon-Charts sind im Top-20-Ranking bei den Liebesromanen zum überwiegenden Teil deutschsprachige Autoren*innen zu finden – vor allem dank Selfpublishing-Power. Und nicht zuletzt das Selfpublishing hat wohl einen Anteil daran, warum Verlage wieder mehr regional denken. Es hat die deutschsprachige Autorenlandschaft wieder vielfältiger und sichtbarer gemacht.

Warum ist der Anteil der Bücher von englischsprachigen Autoren hierzulande so hoch?

Aber warum ist es überhaupt so weit gekommen? Die Suche nach Gründen gestaltete sich schwierig, konkrete Aussagen von Verlagen sind kaum zu finden. Eine Erklärung mag sein, dass deutsche Lektoren zum überwiegenden Teil englisch sprechen. So können sie auch gleich in die Bücher hineinlesen, während englischsprachige Lektoren nur das ins Englisch übersetzte Exposé bleibt, um sich ein Bild von dem Manuskript zu machen. Ein Nachteil. Das erklärt aber noch immer nicht, warum deutsche Verlage so versessen darauf sind, englischsprachige Lizenzen einzukaufen. Ich mutmaße jetzt mal, weil es eben eine recht sichere Bank ist, ein Buch zu vertreiben, das sich in einem anderen Markt schon gut verkauft. Und da läuft es im Endeffekt doch, wie bei vielem anderen auch, auf uns als Verbraucher hinaus. Wir haben es in der Hand, welche Bücher wir lesen und wen wir damit unterstützen. Natürlich leben wir in einer globalisierten Welt und es ist schön, das auch zu genießen. Was wären wir bitte ohne J. K. Rowling oder David Nicholls? Aber denkt euch das mal so: Es ist wie mit Obst und Gemüse. Natürlich versuchen wir, regional einzukaufen, aber natürlich gibt es bei uns in der Gegend eben keine Bananen, trotzdem dürfen die importierten Früchte ab und an auch mal in den Einkaufskorb wandern. Und so sollte es mit Büchern auch sein. Es lohnt sich also hinzuschauen, woher die Banane… äh … ich meine natürlich der/die Autor*in stammt. 

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